Newsletter: Unbekannte, Ungefähres, Uninspiriert

In den vergangenen Wochen ging es vielerorts um Generative AI (GAI). Das unserer Meinung nach wichtige Thema kam kaum vor: die Seite der Rezipient:innen.

Newsletter: Unbekannte, Ungefähres, Uninspiriert
Generiert mit Ideogram

Willkommen zu der ersten Ausgabe unseres Newsletters!

Wir haben uns sehr über das positive Echo auf die Gründung unserer Agentur Anfang des Monats gefreut. Erste Gespräche über Zusammenarbeit und Aufträge laufen. Was unser Angebot umfasst, haben wir jetzt hier ausführlicher beschrieben. Unser Newsletter mit Analysen und Hinweisen zu relevanten Entwicklungen von Generative AI für Journalismus und den non-profit Sektor alle zwei Wochen. Here we go:

In den vergangenen Wochen ging es vielerorts um Generative AI (GAI). Das unserer Meinung nach wichtige Thema, über das Jetzt Studios-Mitgründer Lorenz Matzat in unserem ersten Blogbeitrag schrieb, kam kaum vor: die Seite der Rezipient:innen: „Die grosse Unbekannte dagegen ist, wie sich die Seite der Empfänger:innen aka User wandeln wird. Eine mögliche Entwicklung ist, dass Generative AI (GAI) sich im Web als weitere Schicht zwischen diese und die Informationsanbieter legen; in Gestalt einer/eines Gefährt:in, sogenannten Companions", meint Lorenz. Wenn solche neuen Gatekeeper entstünden, würde das die bisherige Funktionsweise von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit grundsätzlich infrage stellen. „Wie bliebe ich in diesem Medienumbruch mit meinen Inhalten und Anliegen sichtbar?”

Der Code, die Sprache und das Interface
Was Generative AI als neuer Gatekeeper für Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit bedeutet

Mathias Döpfner, Vorstandvorsitzender der Axel Springer AG, schrieb heute eine Lobeshymne auf die Chancen, die dem Journalismus durch Generative AI entstünden. Die Technologie würde diesen auf seinen Wesenskern zurückwerfen, meint er in seiner „Welt“. „IQ kann man künftig kaufen. Das gilt weniger für das, was wir EQ nennen – emotionale Intelligenz, soziale Intelligenz, Intuition, kreative Disruption. EQ wird immer wichtiger. Je präziser perfekte Maschinen werden, desto relevanter wird das Charisma des imperfekten Menschen.“ Wie genau der Journalismus, seine Produkte und sein Verlagsgeschäft in Zukunft aussehen könnte, weiss Döpfner allerdings nicht einmal ansatzweise zu beschreiben. Aus Sicht der Beschäftigten von Springer dürften seine Aussagen nach einer euphorischen Ankündigung von weiterem Stellenabbau klingen (im Sommer wurde die Streichung von 200 Stellen bei „Bild“ angekündigt - auch wegen KI). Der Welt-Beitrag steht hinter einer Paywall: Kress hat ihn hier zusammengefasst.

Mathias Döpfner: Die Wiedergeburt der Zeitung - WELT
Künstliche Intelligenz ist die größte Revolution seit der Erfindung des Internets. Statt in Panik zu verfallen, sollten wir die richtigen Konsequenzen ziehen. Denn KI wird den Journalismus besser machen. Dafür muss er nur auf drei Dinge setzen.

Auch in der NZZ ging es dieser Tage um die Rolle von GAI für den Journalismus. Aufhänger ist der Deal der Presseagentur AP mit OpenAI diesen Sommer, der es dem ChatGPT-Hersteller erlaubt, deren Archive bis 1985 zurück zu nutzen. Benjamin Triebe gibt nun in der NZZ die Gedanken eines Medienökonomens wieder: Zeitungsverlage müssten zügig sinnvolle strategische Entscheidungen über ihre Archive und Large Language Models (LLM) treffen. „Die Frage sei: Geben die Medienunternehmen diesen Rohstoff weg, verwerten sie ihn selbst, oder warten sie ab, bis er im Wert vielleicht noch steigt?“ Passenderweise steht auch dieser Beitrag hinter einer Paywall.

Künstliche Intelligenz: Medien und Verlage verteidigen Archive
Künstliche Intelligenz bedroht das Geschäftsmodell des Journalismus. Mit ihren Archiven besitzen die Verlage einen Rohstoff, den die KI dringend braucht. Doch wie lässt sich daraus Kapital schlagen?

Konkreter über die Alltagspraxis im journalistischen Alltag mit GAI denkt der Medienprofessor Christian Stöcker, einst Redakteur beim Spiegel, nach. In einem Interview mit dem deutschen Branchenblatt „Journalist“ spricht er unter anderem über die Notwendigkeit der Regulierung, macht gleichzeitig aber aufmerksam auf die Probleme für die gesetzgeberische Regulierung, die sich aus der sich in exponentieller Geschwindigkeit entwickelnde Technologien ergeben: „Im [europäischen] AI Act ist generative KI im Prinzip noch gar nicht mitgedacht.“ Leider kommen im Interview keine Fragen zur Produktseite und wie sich der Konsum von Nachrichten verändern könnte.

“Werkzeuge wie Chat-GPT werden wir irgendwann so selbstverständlich nutzen wie Google”
Die exponentielle Entwicklung von KI erfordert nicht nur ein geändertes Mindset bei Journalisten – wir brauchen auch eine exponentiell mitgehende Regulierung, sagt Christian Stöcker. Am 16. September hält der Spiegel-Kolumnist und Professor für Digitale Kommunikation bei der DJV-Tagung Besser Online…

Wie GAI in besagten AI Act Berücksichtigung finden könnten, hat jüngst das „AI, Media & Democracy Lab“ der Universität Amsterdam zusammen mit AlgorithmWatch skizziert (auf Englisch).

Generative AI erschüttert den Bildungssektor in seinem Fundament: der Verarbeitung und Vermittlung von Wissen. Die deutsche Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) hat jetzt einen Leitfaden „Automatisierte Lernsysteme und KI-Anwendungen an Schulen“ veröffentlicht. Er behandelt Fragen der Anschaffung, Einbindung in die Lernpraxis und Auswirkungen auf die Arbeitssituation der Lehrenden. Welche neuen Lernformen, didaktischen Ansätze etc. durch GAI möglich wären, liest man jedoch nicht. 

Automatisierte Lernsysteme und KI-Anwendungen an Schulen
Die Komplexität des Themas KI ist überfordernd und kaum jemand kann alle damit zusammenhängenden Facetten vollständig überblicken. Entsprechend gibt es bei vielen Lehrkräften Unsicherheiten, Bedenken und Zweifel. Ein neuer Leitfaden soll helfen.

Ähnlich uninspiriert bleibt ein Positionspapier aus der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union (dju) zu GAI, das mit der knackigen Überschrift „Sorgfalt, Transparenz und Qualität gewährleisten“ ausgestattet wurde.

Anfang September wurde der Dienst Ideogram allen zugänglich. Bisher kostenfrei, lassen sich mit dem Tool Bilder generieren. Der Clou ist, dass Ideogram im Vergleich zu anderen gängigen Bilderzeugern (Midjourney, Dall-E) recht gut mit Typografie umgehen kann. Das US-Startup von div. AI-Veteranen bekam 16,5 Mio. USD Venture Capital. Es ist ein anschauliches Beispiel dafür, was toll und problematisch an GAI ist: Einerseits lassen sich mit Ideogram kinderleicht und rasend schnell grafische Inhalte produzieren, beispielsweise Logos oder Kampagnenbanner. Andererseits ist es offensichtlich, dass es mit den Vorlagen aus einschlägigen Portalen (Behance etc.), in denen Designer ihre Arbeiten vorstellen, trainiert wurde. Rechtlich ist das ein Graubereich. Schaut man sich ausserdem den Stream der erzeugten Grafiken an, wird eine ästhetische Einfalt sichtbar. Das Bild für diesen Newsletter oben wurde übrigens mit Ideogram erzeugt.

Ideogram
Ideogram: Helping people become more creative.

Soweit also mit der ersten Ausgabe unseres Newsletters. Wir freuen uns über Feedback und Hinweise auf interessante Themen: info@jetztstudios.com.

Gehabt Euch wohl. 

Eure Rosanna und Euer Lorenz


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